Kastration und die (vielfach nicht bekannten) Folgen

Die tiermedizinische Universität in Gießen rät von einer Kastration ohne trifftigen medizinischen Grund ab, bzw. empfiehlt, dass die Hunde zumindest geistig ausgereift sein sollten (bei den Dackeln bedeutet dies 3 Jahre), denn in 2012 wurde herausgefunden, dass nicht wenige ältere Hunde unter Alzheimer-ähnlicher Demenz leiden - darunter sind überproportional häufig kastrierte und besonders früh kastrierte Hunde zu finden


Rüden

Viele Rüdenbesitzer stellen fest, dass der Bursche in der Pubertät schon schier unerträglich werden kann, er pöbelt andere Rüden an, bespringt Menschen und Gegenstände, er benimmt sich einfach Rüpelhaft. Viele Tierärzte sehen dann schnell mal die Kasse klingeln und haben dann die Lösung parat: kastrieren! Dass dies allerdings Probleme mit sich bringt, die dann bequemerweise nicht angesprochen werden, ist bei den Hundehaltern nicht bekannt: 

Ein Dackelrüde wächst ca. 1 Jahr in die Länge, das zweite Jahr in die Breite und im 3. Jahr wächst seine Persönlichkeit. Mit dem dritten Geburtstag hat man so den perfekte Hund, wenn Sie als Halter alles richtig gemacht haben, einen gelassenen, tollen Jungen wie unseren Gismo. Dieser war allerdings ca. zwischen dem 13tem und 24tem Monat zeitweise schier unerträglich, er hat reichlich Mist gebaut. Das erinnert starkt an halbstarke Jungs, nur dass es bei denen deutlich länger dauert. Wer unseren Gismo als erwachsenen Rüden kennenlernt, findet ihn einfach fantastisch, doch er durfte dazu reifen. Werden die Rüden allerdings kastriert (dazu gehört auch die chemische Kastration, der sogenannte Chip), hat das gravierende Folgen auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Diese Rüden können ihren Charakter nicht fertig bilden, sie bleiben gefangen in dem Status von mehr oder weniger jungen Welpen und werden von den anderen Hunden im Rudel nicht für voll genommen. Das bemerkt man, wenn man die Hunde und ihre Interaktionen beobachtet. Sie sind weder männlich noch weiblich und sind für Artgenossen völlig uninteressant, ich konnte vielmals beochbachten, wie sie einfach nach dem Beschnüffeln links liegen gelassen wurden. Eine sehr erfahrene Züchterin und Zuchtwartin drückte es so aus: Durch eine Kastration verlieren sie ihren Adel. Für die Hunde sind sie weder Männchen noch Weibchen. Ich habe schon jung kastrierte Rüden gesehen, die ausserdem nicht den Brustkorb entwickelten, den sie eigentlich bekommen sollten. 

Katastrophale Folgen hat die Kastration bei dem Fell: Rüden bekommen dadurch oft ein schlechtes, weiches, wolliges Fell (Welpenhaar), kurzum, es ist unwiederbringlich ruiniert! Das ist vor allem bei Rauhaaren und Langhaaren der Fall. Rüden werden nach der Kastration oft ruhiger, aber es kann auch passieren (und dies habe ich schon bei einem Rüden in meinem Umkreis erlebt) ängstlicher und aggressiver. Dieser Hund liess sich kaum noch anfassen, er war regelrecht traumatisiert und sein Frauchen hat bestätigt, dass dies nach der Kastration losging.

Benimmt sich der Rüde während der Pubertät daneben, sind SIE gefragt. Ihre Arbeit besteht darin, ihn freundlich aber sehr konsequent zu erziehen, ihm beizubringen, was in Ordnung und was verboten ist. Er ist durchaus dazu in Lage, zu lernen. Schliesslich kastrieren Eltern auch nicht ihre pubertierenden Jungs, wenn sie über die Stränge schlagen, sie bemühen sich (meistens), ihnen gutes Benehmen nahe zu legen.

Der einzige trifftige Grund für eine Kastration wäre, wenn ein/beide Hoden leider nicht in den Hodensack heruntergekommen ist/sind (Kryptorchismus). Dies passiert manchmal, der Hoden wandert nicht an seinen Platz und bleibt entweder im Bauchraum oder der Leiste stecken, dadurch können sie entarten. Allerdings gibt es spezialisierte Tierärzte, die (möglichst rechtzeitig im ersten Jahr), die Hoden wieder an ihren Platz operieren. Dabei sollten die Samenleiten abgebunden werden, damit der Hund zwar noch seine Hormone weiter produziert, sich aber nicht mehr vermehren kann, denn es nicht ganz geklärt, wie der Kryptorchismus zustande kommt, es könnte genetische Veranlagung sein.

Soll einfach nur sichergestellt werden, dass sich der Rüde nicht vermehren kann, gibt es die Möglichkeit, die Samenstränge abzubinden, diese Operation wird auch bei Menschen durchgeführt.

Hündinnen

Leider werden viel zu oft Hündinnen früh kastriert, vielfach aus Angst vor Tumoren des Gesäuges oder einfach aus Bequemlichkeit. Das dies zu Inkontinenz und Verhaltensstörungen führen kann, ist wenigen klar. Bei unseren Hündinnen, die nicht mit tierärztlichen Medikamenten zur Unterbrechung des Milcheinschusses bei Scheinschwangerschaften behandelt, sondern dagegen Kräuter und Quarkwickel bekamen, sind solche Tumore nie aufgetreten. Jeder kann sich dabei denken, was er möchte.

Bei Hündinnen kann, wenn es nötig ist (z.B. wenn Hündin und Rüde zusammen leben und es nicht zu Welpen und Stress bei jeder Hitze kommen soll), eine Kastration durchgeführt werden, aber unter bestimmten Bedingungen, damit die Hundedame sich normal entwickeln kann.

Es sollten mindestens 2 Hitzen vor der Kastration stattfinden, damit ist sicher, dass die Hündin erwachsen und ihr Charakter gebildet ist. Viel besser ist es, 3 Jahre abzuwarten. Hören Sie nie auf den Rat des Tierarztes, die Hündin vor der ersten Hitze zu kastrieren, weil es sie vor Mamaltumoren schützen soll, viele seriöse Tierärzte halten das für Humbug. Wird die Hündin so früh kastriert, dann endet es wie bei einer befreundeten Hündin: die Dackeldame hat nur wenige Tage Altersunterschied mit einer unserer Zuchthündinnen und sie waren auch beste Freundinnen, bis die eine vor der ersten Hitze kastriert wurde und sich nicht aus dem Stadium der “dummen Blage im Grossformat” weiterentwickelte, während die andere zu einer erwachsenen Hündin heranreifte. Heute möchte die erwachsene nicht mal mehr mit der unausgereiften spielen und ich kann immer wieder beobachten, wie das Rudel sie regelrecht wie einen gross geratenen Welpe behandelt und sie nicht für voll nimmt. 

Wenn es einen trifftigen Grund gibt, die Hündin zu kastrieren, sollten demnach mindestens 2 Hitzen verstreichen (ca. 15-18 Monate), besser ist es, 3 Jahre zu warten. Dann muss nicht der ganze Bauch aufgeschnitten werden, ich war bei Operationen dabei, wo nur ein kleines Schlüsselloch unterhalb des Brustkorbs gemacht wurde (ca. 1-2 cm), die Eierstöcke werden mit einem Haken durch die Bauchdecke herausgezogen, abgebunden und herausgeschnitten. Die Gebärmutter wird angeschaut, ist sie klein und unauffällig, kann sie drin bleiben, sonst wird sie entfernt. Der Vorteil dieser Art der Operation liegt auf der Hand: der Mini-Schnitt ist sehr schnell verheilt, ein Kragen wird nicht benötigt. Wird dies erst nach der Reife der Hündin gemacht, sollte sich nichts an ihrem Charakter ändern! Grund dafür ist, dass die Hündin in ihrem normalem Zyklus eine Phase hat, wo alle Hormone auf Sparflamme sind (Anöstrus). Allerdings gibt es Hündinnen, die nach einer Kastration ängstlicher oder gar aggressiver werden.